Achill Island: Begeisterung für Heinrich Böll, Kunst und Kultur

Bei meinem zweiten Besuch im westlichsten Zipfel Irlands und damit Europas habe ich Menschen getroffen, die seit vielen Jahren das Andenken des Namensgebers unserer Stiftung, Heinrich Böll, aufs herzlichste in Ehren halten und sich einsetzen für die Förderung zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler.

Die Reise nach Achill Island ist immer noch mit einigem Aufwand verbunden. Es dauert nicht mehr die drei Tage, die Heinrich Böll für die Fahrt von Köln zur Insel ab 1955, zuletzt 1983, benötigte, jedoch erfordert auch heute noch die Anreise mit gemietetem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln ab Dublin einiges an Organisation und Zeit. Aber, auch wenn dann das Wetter nicht selten regnerisch und immer wieder windig bis stürmisch ist, empfehle ich den Besuch von Achill Island wärmstens.

Künstlerisches Schaffen auf Achill Island

Achill Island ist die größte Insel Irlands und liegt in der Grafschaft Mayo. Mehr als 80% der Insel ist mit Torfmooren bedeckt, die gut 2000 Menschen auf der Insel leben zerstreut in mehreren kleinen Ortschaften. Wenn wir hier bei uns von Zivilgesellschaft sprechen und von ihren Schwierigkeiten, von unten, aus kleinen Gruppen gemeinschaftlich zu wirken, dann überrascht und überzeugt, mit welchem Erfolg auf dem kleinen Achill ein lokaler irischer Verein ehrenamtlich arbeitet, der 2002 das Haus erwerben konnte, in dem Heinrich Böll ab 1958 mit seiner Familie Jahre lang regelmäßig mehrere Monate im Jahr verbrachte und schriftstellerisch tätig war. Und nicht nur das: Diese ehrenamtlich arbeitende Heinrich Böll Association hat es sich zur Aufgabe gemacht, Künstlern und Schriftsteller*innen zweiwöchige Aufenthalte im Cottage zu ermöglichen, damit sie in der ruhigen und inspirierenden Atmosphäre des Böll Cottage von der Alltagshektik entspannen können. Das Cottage bietet zwei Schlafräume, Küche, Wohnzimmer, zwei Arbeitszimmer sowie ein Atelier. Während unserer Zeit auf der Insel wurde der deutschen Schriftstellerin Judith Hermann der zweiwöchige Aufenthalt im Böll Cottage ermöglicht.

Zusätzlich organisiert die Böll Association jedes Jahr am ersten Maiwochenende ein dreitägiges Programm mit Lesungen, Musik, Vorträgen und Wanderungen mit aktuellen Künstlern, das immer viele Menschen anzieht.

Diskutieren zum Thema "Politik und Religion" fernab großstädtischer Hektik

In diesem Jahr fand zum ersten Mal kurz davor eine Bildungsreise der Heinrich Böll Stiftung Bremen, der Bundesstiftung und einiger anderer Landesstiftungen zum Thema „Politik und Religion“ statt. Die Teilnehmer*innen aus Deutschland hatten damit nicht nur die Gelegenheit, mit ausgewiesenen Expert*innen über das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen religiösen oder nichtreligiösen Hintergründen in einer Demokratie zu diskutieren, sondern konnten zusätzlich an dem anschließenden Veranstaltungswochenende der Böll Association teilnehmen.

Fernab der Hektik der Großstadt, inmitten der Torfbrüche und rauen Küstenlandschaft, entwickelte sich so in einem Tagungshaus in der Nähe von Heinrich Bölls ehemaligem Cottage ein intellektueller Austausch mit Antonia Grunenberg, Manfred Berg, Claus Leggewie und Hermann Rasche über die Herausforderungen des Zusammenlebens von Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen.

Am zweiten Abend eröffnete René Böll das Wochenende 2016 der Böll Association mit einer Rede, und unsere Reisegruppe erlebte die herzliche Gastfreundschaft des irischen Publikums und sein Interesse an Heinrich Böll. René Böll, Sohn von Heinrich Böll, ist selber bereits auf Achill Island als Künstler mit verschiedenen Kunst-Ausstellungen bekannt geworden.
Eins ist besonders deutlich geworden: Heinrich Böll hat mit den Familienaufenthalten auf Achill Island einen bleibenden Eindruck hinterlassen, seine Freundlichkeit, seine Offenheit und seine Liebe für die Insel-Bewohner*innen sind unvergessen. Wir haben mit Menschen geredet, die Heinrich Böll persönlich gekannt haben oder von Anekdoten ihrer Eltern mit der Familie Böll berichten konnten. So erinnert die irische Böll Vereinigung mit ihrem jährlichen Böll-Wochenende an den Künstler und Literatur-Nobelpreisträger, aber auch an den Menschen, der den Bewohner*innen mit viel Herzlichkeit und Verständnis begegnet ist und dies selbst empfangen hat.

Ein Besuch von Achill Island ist auf jeden Fall empfehlenswert und ganz besonders ein Besuch am ersten Mai-Wochenende zu den Künstlertagen der Böll Association. 

Iris Witt