Chancen und Herausforderungen

Einleitung

Bildung wurde bei uns in Deutschland lange Zeit gleichgesetzt mit Schule, mit Wissensaneignung, mit höherer Bildung, mit Bildungsbürgertum, mit der anerkennenden Rede von einem „gebildeten Menschen“. Bildung war und ist für viele ein Thema der Kultusministerkonferenz und der Bildungsminister, war in den Wissenschaftszirkeln ein Spezialthema für Fachdebatten in der Bildungsphilosophie und Bildungstheorie.
Diese Zeiten haben sich grundlegend geändert. Bildung ist zu einem Megathema aufgestiegen, hat längst die Niederungen der Tagespolitik erreicht, ist unverzichtbarer Bestandteil von Parteiprogrammen und zu einem Seite-Eins-Thema der Tageszeitungen geworden, kurz: ist zu einem Thema in der Öffentlichkeit avanciert. Die Diskussion über Bildung ist nicht länger nur der Fachwelt vorbehalten.
Aber auch in den Koordinaten der Fachwelt und der Politik beginnt die Diskussion über Bildung, die vorgegebenen, eingefahrenen Bahnen zu verlassen. Neben den Kultusministern beschäftigen sich inzwischen auch die Jugend- und Familienminister mit dem Thema Bildung, spielte es in der Föderalismus-Debatte – neutral formuliert – eine unglückliche Rolle mit einem nach wie vor irritierenden Ende, wird es nunmehr – wie nie zuvor – gleichwohl auch im kommunalen Raum diskutiert und hat zugleich den Elfenbeinturm der philosophisch-theoretischen Erörterungen hinter sich gelassen. Zu einem wesentlichen Motor der fachöffentlichen Dynamik ist ungleich mehr die empirische Bildungsforschung geworden.
Diese Weiterungen und Öffnungen mit Blick auf die Diskutanten, Zuständigkeiten und Zugänge gehen einher mit einer Ausweitung der mit Bildung verknüpften Horizonte. Zugespitzt könnte man vielleicht formulieren, dass sich die aktuellen Bildungshorizonte in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht erweitert haben:

  • In zeitlicher Hinsicht werden verstärkt die lebensgeschichtlichen Zusammenhänge und Verknüpfungen ins Blickfeld gerückt. „Bildung im Lebenslauf“, eine Programmformel der inzwischen in Deutschland etablierten Bildungsberichterstattung, ist der prägnanteste Ausdruck für diese modifizierte Sichtweise, die biografische Zusammenhänge und Folgen, aber auch Übergänge und Brüche stärker ins Blickfeld zieht.
  • In räumlicher Hinsicht wird der Blick geweitet auf die anderen Bildungsorte und Lernwelten jenseits von Schule. Diese „andere Seite der Bildung“, wie ich das an anderer Stelle einmal genannt habe, öffnet zwangsläufig auch den Blick auf die anderen Akteure und die anderen Ebenen des Bildungsgeschehens. Auf einmal sind Kindergärten, Jugendarbeit, Familien, Gegenstand bildungskonzeptioneller Erörterungen, auf einmal ist die föderal scheinbar geregelte Frage der Bildung – im Sinne der Nichteinmischungsverpflichtung diesseits und jenseits der zuständigkeitsreklamierenden Länder – auch zu einer Frage des Bundes und der Kommunen geworden, auf einmal wird die Frage der Gestaltung der „Bildung vor Ort“, der lokalen und regionalen Bildungslandschaften, zu einem spannenden und lohnenswerten Thema.
  • In sachlicher Hinsicht weitet sich der Blick auf die äußeren thematischen Grenzen von Bildung bzw. der Verknüpfung von Bildung mit den beiden anderen Parametern des Aufwachsens, mit Betreuung und Erziehung. Nicht mehr der kognitiv verengte Horizont von Wissensvermittlung, zumal von schulisch relevantem Wissen, nicht mehr der verengte Horizont eines gebildeten Menschen als einem wissenden Menschen, sondern der erweiterte Blick auf einen breiten Horizont von lebensrelevanten Themen und auf das gesamte Spektrum an Kompetenzen und Fähigkeiten, die die heutigen Menschen zu einer eigenständigen Lebensführung benötigen – einschließlich der Rückbindung dieser Aneignungsprozesse an die produktiven Elemente von Erziehung und Betreuung – werden zu den neuen Eckwerten eines zukunftsfähigen Bildungsbegriffs.

Von diesen drei Dimensionen – der zeitlichen Ausweitung und Verknüpfung, den anderen Bildungsorten und Lernwelten sowie den anderen Inhalten – soll im Folgenden die Rede sein, notgedrungen plakativ, selektiv, pragmatisch. Aber dennoch bilden sie die Hinterbühne meiner Ausführungen.
Anhand von sieben Thesen möchte ich die Konturen eines zeitgemäßen Verständnisses von Bildung verdeutlichen und zugleich einige „Stationen“ im Prozess des Aufwachsens näher beleuchten, immer auch mit dem Blick darauf, wo sich politische Gestaltungsspielräume auftun und wie der Prozess gelingenden Aufwachsens mit öffentlich verantworteten Maßnahmen unterstützt werden kann (ich greife dabei auf Gedanken des 12. Kinder- und Jugendberichts und auf Erkenntnisse der beiden nationalen Bildungsberichte 2006 und 2008 zurück, an denen ich jeweils mitgewirkt habe).
Wenn ich dabei den Akzent auf die frühen Lebensjahre lege, dann deshalb, weil ich zum einen überzeugt bin, dass in diesen Jahren – viel zu lange unbeachtet – die großen Weichen gestellt werden, die der Bildungsbiografie, der Lebensführung und den Zukunftschancen der Menschen ihren Stempel aufdrücken. Zum anderen aber auch, weil ich mich zeitlich einfach begrenzen muss und hier nicht alle Stationen der Bildungsbiografie eigens ins Blickfeld rücken kann (vielleicht bleibt dazu noch anschließend Gelegenheit).
Blickt man vom Ende der Kindheits- und Jugendphase her auf den Prozess des Aufwachsens und die Bildung im Lebenslauf zurück, so wird ein deprimierender, aber folgenreicher Befund deutlich: der Befund, dass sich herkunftsbedingte soziale Unterschiede zu Beginn des Aufwachsens als ungleiche Chancen bis in die Schule, die berufliche Ausbildung und die Platzierung auf dem Arbeitsmarkt durchziehen, sprich: dass soziale, kulturelle und bildungsbedingte Startbedingungen (Migrationshintergrund, einkommensschwache Haushalte, Familien mit niedrigem Bildungsniveau) Lebenschancen entscheidend beeinflussen. Mehr noch: dass sich diese Schere mit zunehmendem Lebensalter eher noch weiter öffnet als schließt. „Verlierer“ sind diese Heranwachsenden meist nicht erst am Ende von Kindheit und Jugend, sondern vielfach schon am Start.
Die damit billigend in Kauf genommenen Nebenwirkungen sind nicht nur eine ungeheure Vergeudung von Humanressourcen, die sich ein Land wie Deutschland aus demografischen, sozial- und arbeitsmarktpolitischen Gründen schlicht nicht leisten kann, es ist aber zugleich auch eine elementare Frage von sozialer Gerechtigkeit, von Teilhabegerechtigkeit und Bildungsgerechtigkeit. Die Konsequenz ist: Die Bildungsfrage muss mental und praktisch viel konsequenter am Anfang ansetzen („Bildung von Anfang an“) und muss dabei die soziale Seite der Bildung ebenso konsequent ins Blickfeld rücken wie die bislang unbeachteten Bildungselemente der sozialen Frage und der sozialen Disparitäten. Wer Bildung zur Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts erklärt, der muss eben die beiden Seiten der Medaille beachten, nicht nur die Hoffnungen einer neuen Bildungsoffensive auf der Sonnenseite des Lebens, sondern auch die durch Bildung miterzeugten ambivalenten sozialen Folgen der Selektion durch Bildung.

7 Thesen

1. Der bisherige Weg der familialen Weitergabe von Kompetenzen und Werten an die nachfolgende Generation – ergänzt durch Halbtageskindergarten und Halbtagesschule – erscheint in Anbetracht des beschleunigten sozialen Wandels als unzureichend.

Der gesamte Prozess von Bildung, Betreuung und Erziehung muss daher neu justiert werden, wenn nicht die soziale Vererbung von Bildung zu einem unverrückbaren Fundament der sozialen Spaltung werden soll.
Bislang hat Deutschland überwiegend auf das Funktionieren des Zusammenspiels von Familie und Schule als die beiden Konstanten im Prozess des Aufwachsens von Kindern gesetzt. In Anbetracht der typischen Halbtagsschule und dem drei- bis vierstündigen Vormittagskindergarten wurde die darüber hinausgehende Verantwortung und Zuständigkeit für die Entwicklung von Kindern im Kern der Familie übertragen. Der Staat, so die entsprechende politische Philosophie, sollte sich dabei so wenig wie möglich in die Privatsphäre und Eigenverantwortung der Familie einmischen. Und genau dieses Selbstverständnis erweist sich in zweifacher Hinsicht als ein eminent folgenreicher Trugschluss.
(a) Auf der einen Seite wird mittlerweile immer deutlicher, dass keineswegs alle Familien von alleine und ohne weiteres Zutun in der Lage sind, den damit verbundenen Erwartungen und Verpflichtungen einer umfassenden Weitergabe des kulturellen Erbes zeitlich, sachlich und thematisch einigermaßen gerecht zu werden. Das „Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung“ – so bereits 2002 der programmatische Titel des 11. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung – fungiert daher in vielfacher Hinsicht nicht mehr als bloßer „Lückenbüßer“ zum Ausgleich punktuell auftretender familialer Defizite, sondern wird zunehmend zu einer umfassenden gesellschaftlichen Gestaltungsaufgabe, zu einem allgemeinen Modus des Aufwachsens. Der Ausbau der institutionellen Betreuung im Kleinkindalter zeugt ebenso davon wie die Ausweitung der Ganztagesschule.
Vor dem Hintergrund des sozialen Wandels der letzten Jahren, etwa gekennzeichnet durch die steigende Flexibilisierung der Arbeitswelt, verbunden mit Mobilitätsansprüchen an die Beschäftigten, durch die Beschleunigung der Halbwertszeiten des Wissens und Könnens, durch die Globalisierung von Werten, Stilen und Moden, durch die Abkehr von sicheren Erwerbsbiographien sowie die Zunahme prekärer Lebenslagen, werden bislang unhinterfragt geltende Gewissheiten in Frage gestellt. Diese Ungewissheiten machen auch vor der Weitergabe von Kompetenzen, Werten und Wissen von einer Generation zur nächsten nicht halt.
Lernen Kinder heutzutage noch das, was sie morgen brauchen (und das ist keineswegs nur die Weitergabe dessen, was ihre Eltern gelernt haben)? Sind die herkömmlichen Schulen mit dieser Aufgabe angesichts einer sich rasant erweiternden „Wissensgesellschaft“ nicht heillos überfordert? Können Familien hier noch ohne weiteres die zentrale Mittlerrolle übernehmen? Ist bei durchschnittlichen Bedingungen des Aufwachsens noch gewährleistet, dass die nachwachsende Generation mit jenen Ressourcen, also Haltungen, Fähigkeiten und Wissensbeständen ausgestattet wird, die für eine umfassende Lebenstüchtigkeit, oder, wie es bisweilen heißt: für eine allseitige Lebensführungs- und Selbstregulationskompetenz benötigt werden, einer Kompetenz, die nicht nur auf den Arbeitsmarkt und Beruf ausgerichtet ist, sondern auch die anderen Seiten des Lebens – also Familie oder die Verantwortung für das Gemeinwohl – umfasst? In Anbetracht der unsicheren Antworten auf diese Fragen müssen wir uns darüber neu Gedanken machen.
(b) Auf der anderen Seite verbirgt sich aber hinter dieser Frage der Reichweite und Grenzen der „sozialen Vererbung“ bzw. des „sozialen und kulturellen Kapitals“, wie man das mit Pierre Bourdieu bezeichnen könnte, zugleich die eigentliche Frage der sozialen Spaltung der Gesellschaft, mit der uns alle PSIA- und IGLU-Studien, alle Bildungsberichte und die gesamte Bildungsforschung bislang ziemlich alleine lassen. Wie kann verhindert werden, dass die unbeachtete Seite der Bildung, die lebensweltliche Bildung, die familiale Bildung oder: wie ich es bevorzugt zusammenfassend nennen würde, die Alltagbildung gewissermaßen hinter dem Rücken der Subjekte, außerhalb des Horizontes von Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit zur eigentlichen Quelle von Bildungsgewinnern und Bildungsverlierern, zum eigentlichen Ort der Bildungsarmut und der sozialen Spaltung der Gesellschaft wird?
Während ein Teil der Heranwachsenden mit einem soliden „Erbe“ an Wissen, Werten, Fähigkeiten, Haltungen, Orientierungen und Sicherheiten aufwachsen und einigermaßen unbesorgt in die Zukunft schauen kann, mangelt es einem anderen Teil an allen diesen Zutaten, mehr noch: begeben sie sich mit einer sozialen Hypothek auf ihren individuellen Weg durch das Leben. So wird die in der These angesprochene Weitergabe von Kompetenzen und Werten, so wird das vorhandene oder eben nicht vorhandene Backup-System Familie in Kindheit und Jugend vielleicht mehr als alles andere, als Kindergarten, Schule und berufliche Ausbildung zu einem entscheidenden Schlüssel der Bildungsbiografie – und das außerhalb jeder politischen Beachtung. Oder anders formuliert: Die soziale Reproduktion der Gesellschaft vollzieht sich vielleicht weniger über den Weg der sozialen Selektion in Kindergärten und Schulen als vielmehr über die vorhandenen und nicht vorhandenen Ressourcen der Alltagsbildung außerhalb des Spielfeldes der großen Bildungspolitik.
Damit zum Horizont der Bildung, also zu den äußeren Grenzen der Bildung in meiner zweiten These.

2. Bildung muss als ein umfassender Prozess der Aneignung von Welt und der Entwicklung von kulturellen, instrumentellen, sozialen und personalen Kompetenzen konzipiert werden, wenn sie zu einer modernen Lebensführungskompetenz führen soll.

Im Rahmen des schon erwähnten 12. Kinder- und Jugendberichts mit dem Titel „Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule“ wurde eine Konzeption von Bildung entwickelt, die – erstens – die eingangs genannte Weiterung von Bildung und dabei – zweitens – den Kompetenzerwerb (und allein nicht den Wissenserwerb) in den Mittelpunkt rückt – und zwar mit einem Verständnis von Kompetenzerwerb, das dezidiert über den Bildungsort Schule und weit über den kulturell-kognitiven Wissenserwerb hinausweist. Hierbei werden vier eigenständige Weltbezüge unterschieden: die kulturellen, die materiell-dinglichen, die sozialen und die subjektiven Weltbezüge. Und diese vier Weltbezüge beziehen sich wiederum auf jeweils vier unterschiedliche Kompetenzbereiche:

  • Unter kultureller Kompetenz wird die sprachlich-symbolische Fähigkeit verstanden, sich die Welt mittels Zeichen und Sprache sinnhaft zu erschließen, sie zu deuten, zu verstehen, sich in einer Symbolwelt bewegen zu können. Das kommt vor allem dem traditionellen Verständnis von Bildung nahe, also dem, was Schule leisten soll.
  • Als instrumentelle Kompetenz umschreibt der Kinder- und Jugendbericht jene Fähigkeiten, die sich auf die materiell-dingliche Welt beziehen, also sich praktisch, physisch im Leben bewegen und verhalten zu können, nicht nur mental, semantisch und virtuell, sondern sich ganz konkret in einer stofflichen Umgebung, in der Natur, in einer Welt von Produkten, in einer technischen Welt zurechtzufinden.
  • Der dritte Kompetenzbereich, die soziale Kompetenz, ist auf die soziale (Mit-) Welt ausgerichtet und umfasst vereinfacht ausgedrückt all das, was sich auf andere Menschen, auf das menschliche Zusammenleben, auf das Gemeinwesen bezieht (kommunikative Kompetenz, soziale Verantwortung, politische Bildung). Sich in dieser Dimension bewegen und verhalten zu können, ist ebenfalls etwas, was man lernen und können muss – und damit ein Ergebnis von Bildungsprozessen.
  • Und schließlich bedarf es einer vierten Kompetenzdimension, die sich auf die subjektive Welt bezieht. Angesprochen wird damit die personale Kompetenz, also die Fähigkeit, mit sich selbst, mit seinen eigenen Emotionen, Hoffnungen und mit seiner Körperlichkeit umgehen zu können, sich selbst wahrzunehmen und so etwas wie eine personale Identität zu entwickeln.

Diese vier Dimensionen der kulturellen Bildung, der praktischen Bildung, der sozialen Bildung und der Persönlichkeitsbildung bilden zusammen den inhaltlichen Rahmen und die Eckwerte eines Kompetenzprofils, dessen möglichst breite und umfassende individuelle Ausgestaltung aus meiner Sicht notwendig erscheint, um sich in einer modernen, funktional differenzierten Gesellschaft bewegen zu können. Und das ist mehr, als gemeinhin unter Bildung verstanden wird, weit mehr als das, was in Bildungsinstitutionen wie der Schule vermittelt werden kann, aber auch mehr als das, was Kindern im Kontext von Familie in der Regel heutzutage an Rüstzeug für das Leben mitgegeben werden kann (im Gegenteil: Man könnte durchaus darüber diskutieren, ob sich in der Spezialisierung auf eine dieser Dimensionen nicht viele Lebensstile und Milieus identifizieren lassen).
Will man also eine inhaltliche Antwort auf die Dimensionen der Bildung geben, so ist damit zumindest eine mögliche Antwort auf die Frage angedeutet, was denn Kinder und Jugendliche auf dem Weg des Erwachsenwerdens eigentlich lernen müssen bzw. in welchen Bereichen sie elementare, unverzichtbare Kompetenzen erwerben müssen. Eine ganz andere, bislang ebenfalls unterbelichtete Frage zielt darüber hinaus auf die Örtlichkeiten und Modalitäten des Lernens. Also: Wo lernen Kinder und Jugendliche diese Kompetenzen bzw. wo können sie, wo sollten sie diese lernen? Es geht somit um die Frage nach den Bildungsorten und Lernwelten.

3. Bildungsprozesse lassen sich zeitlich, örtlich und inhaltlich nicht eingrenzen, können nicht auf die gesellschaftlich dafür vorgesehenen Orte reduziert werden. Bildungsforschung und Fachpolitik müssen infolgedessen verstärkt auch andere Bildungsorte und Lernwelten von Kindern und Jugendlichen ins Blickfeld rücken.

Diese kompetenzbasierte Sichtweise auf Bildung lässt, darauf habe ich eingangs bereits hingewiesen, das Nebeneinander bestehender Bildungsinstitutionen – abgegrenzt nach unterschiedlichen Zuständigkeiten, getrennten Rechtssystemen und verschiedenen föderalen Ebenen – insofern als problematisch erscheinen, als damit nicht gewährleistet werden kann, dass die verschiedenen Kompetenzbereiche tatsächlich gleichermaßen zur Geltung kommen und – vor allem – auch ineinander greifen (deshalb auch das Thema Übergänge im aktuellen Bildungsbericht).
Die Konsequenz, die der 12. Kinder- und Jugendbericht daraus gezogen hat, ist die, dass man den Blick auf jene Bildungsorte und Lernwelten erweitern muss, an denen sich potenziell relevante Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen vollziehen, angefangen von der eben genannten Familie und ihrer auch in Sachen Bildung alles überragenden Stellung, gefolgt von der Kindertagesbetreuung und im weiteren Verlauf natürlich der Schule. In vielen Fällen kommen darüber hinaus auch ganz andere Lernwelten hinzu, die berufliche Ausbildung oder die Kinder- und Jugendarbeit, aber auch die völlig unterschätzten Cliquen, Szenen und Gleichaltrigengruppen, die kommerziellen Freizeitangebote oder Dinge wie Nachhilfe, Schülerjobs und heutzutage vor allem natürlich auch die Medien.
In all diesen Settings eröffnen Kindern und Jugendlichen mehr oder minder ausgeprägte Möglichkeiten des Erwerbs von Kompetenzen, die sie für eine selbstständige Lebensführung benötigen, ohne dass wir in der öffentlichen Bildungsdiskussion diesen Orten und Gelegenheitsstrukturen bisher eine entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet hätten. Es geht mithin künftig darum, den Blick auch auf diese z.T. unterbelichteten Orte zu weiten und deren Potenziale nicht aus dem Blick zu verlieren.

4. Um die Schwächen des in Deutschland immer noch weithin versäulten Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungswesens zu überwinden, bedarf es nicht nur einer Stärkung ihres Zusammenspiels, sondern auch eines verbesserten Ineinanders von Bildung, Betreuung und Erziehung. Denn: Familie ist mehr als Erziehung, Schule mehr als Bildung und die Kinder- und Jugendhilfe mehr als Betreuung.

In Deutschland wurden die Zuständigkeiten für die drei Aufgabenbereiche Bildung, Erziehung und Betreuung bislang weitgehend aufgeteilt und zergliedert, um dann in einer problematischen Art von Arbeitsteilung wieder aufeinander bezogen zu werden. Dabei wurde – etwas plakativ formuliert – der Familie die Aufgabe der Erziehung, der Schule die der Bildung sowie der Kinder- und Jugendhilfe die der Betreuung zugeschrieben, ohne dass auch nur im Ansatz geklärt wäre, ob diese Trennung nicht mehr Nach- als Vorteile mit sich bringt. Nicht zuletzt der 12. Kinder- und Jugendbericht geht unterdessen davon aus, dass ein Zusammenspiel von Bildung, Betreuung und Erziehung für den Prozess des Aufwachsens weitaus funktionaler ist.
Während die Familie geradezu das Paradebeispiel eines Ortes ist, an dem Bildung, Betreuung und Erziehung bis zur Unkenntlichkeit ineinander verwoben sind, ist auch die Schule mehr als Bildung, oder vielleicht richtiger: ist sie gerade dann und dort ein Problem, wo dies nicht der Fall ist. Und wenn man dann der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere der Kindertagesbetreuung, die schlichte Rolle zuweist, auf Kinder aufzupassen, oder, wie es im Schwäbischen so schön entlarvend heißt, „Kinder zu hüten“, dann darf man sich nicht wundern, wenn wir bei den Kindergärten eine nicht endende Debatte um die Qualität der Einrichtungen, des Personals etc. haben, aber auch nicht, wenn in Deutschland just in dieser Altersphase ein Bildungsdefizit, eine Phase der verschenkten Möglichkeiten diagnostiziert wird.
Es geht mithin darum, das Ineinander von Bildung, Betreuung und Erziehung in den verschiedenen Bildungsorten und Bildungsphasen von Kindheit und Jugend zu stärken und somit Bildung zugleich stärker in die beiden anderen Dimensionen rückzubinden.

5. Familien müssen mit Blick auf das Ineinander von Bildung, Betreuung und Erziehung gefördert werden. Dabei geht es sowohl um die Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz, als auch um die Unterstützung der Eltern durch familienergänzende Angebote.

Dass Eltern das grundgesetzlich verbriefte Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder haben, ist unbestritten – und auch gut so. Das heißt aber noch lange nicht, dass Eltern damit auch schon über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen, diesen Rechten und Pflichten angemessen nachzukommen. Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz heißt demzufolge, Menschen ungleich gezielter als bisher auf die Rolle der potenziellen Elternschaft vorzubereiten, heißt zugleich aber auch, jungen Familien von Anfang an Unterstützungsangebote mit Blick auf das Aufwachsen ihrer Kinder anzubieten, gerade, wenn die eben erwähnte Alltagsbildung zur Schlüsselfrage der Bildung wird.
Wege dazu könnten zum einen der Ausbau aufsuchender Familienbildung für bildungsferne Familien bzw. für Familien in prekären Lebenslagen sein, wie das etwa inzwischen im Rahmen der ambulanten Familienhilfe „Opstapje“ geschieht. Zum anderen wäre aber auch die konsequente Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu so genannten „Eltern-Kind- bzw. Familienzentren“ ein Schritt in die richtige Richtung, in denen neben der Kinderbetreuung zugleich „familiennahe Dienstleistungen“ für Eltern angeboten und diese Einrichtungen so tatsächlich – und zwar von der Geburt des Kindes an – zu „Zentren für Familien“, zu Orten der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft, zu sozialen Begegnungsstätten für junge Familien werden.
[Durch solche Angebote, also aufsuchende Familienbildung und Familienzentren, können Eltern verschiedener sozialer Schichten und mit Migrationshintergrund, die ansonsten elternbildende Angebote nicht unbedingt wahrnehmen, sehr viel eher erreicht, angesprochen und unterstützt, sowie aus ihren häufig sozial und ethnisch abgeschotteten Milieus ein Stück weit herausgeholt werden. Und, was aber noch viel wichtiger ist: Kinder können damit von Anfang an in sozial und ethnisch durchmischten Gruppen integriert werden, lernen im Kontakt mit Gleichaltrigen ganz nebenbei die deutsche Sprache, nutzen gewissermaßen die alltäglich gegebenen Lern- und Lebensumgebungen, haben kurzum von Anfang an Lerngelegenheiten, die nicht allein an ihr soziales und ethnisches Herkunftsmilieu gebunden bleiben.]
Unmittelbar einsichtig dürfte von daher sein, dass das Aufwachsen von Kindern immer weniger allein eine Privatangelegenheit von Eltern ist.

6. Ein frühzeitig einsetzendes öffentliches Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebot als Ergänzung zur Familie kann dazu beitragen, Kinder besser und gezielter zu fördern. Deshalb ist die derzeitige Kindertagesbetreuung sowohl quantitativ auszubauen als auch qualitativ weiterzuentwickeln.

Eine konsequente Ausweitung des öffentlichen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebots vor Ort, das allen Kindern von Anfang an ein Höchstmaß an Förderung eröffnet, ist eine der wichtigsten Gestaltungsaufgaben der Politik der kommenden Jahre (vor allem der Kommunalpolitik). Und einer der wichtigsten Impulse zur Bildungsgerechtigkeit. Dazu gehört übrigens auch eine weitaus offensivere Strategie einer verbesserten Information von Eltern mit kleinen Kindern dahingehend, dass öffentliche Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote eine wertvolle Entwicklungschance und keine Gefahr oder ein Nachteil für Kinder sind. Erst, wenn Kindertageseinrichtungen als Bildungspartner von Eltern und Familien eines Tages in der Öffentlichkeit genauso selbstverständlich akzeptiert werden wie Schulen, können wir in Deutschland in etwa das Förderungs- und Entwicklungspotenzial ausschöpfen, das in der frühen Kindheit angelegt ist.
Der Kindergarten ist bereits heute das am stärksten nachgefragte freiwillige Angebot in Deutschland. Kein anderes Angebot führt zu einer so großen Nachfrage wie im Falle des Kindergartens. Mehr als 93 Prozent der Kinder besuchen in den beiden letzten Jahren vor der Einschulung eine Kindertageseinrichtung, obwohl – je nach Einkommen – dafür Gebühren entrichtet werden müssen; dies gilt übrigens mit leichten Abstrichen, genauso für Kinder mit Migrationshintergrund. Deshalb macht es aus meiner Sicht auch keinen Sinn, weiter über eine Kindergartenpflicht im letzten Kindergartenjahr nachzudenken. Die möglichen Nebenwirkungen im Zuge der Umsetzung der Kindergartenpflicht, in letzter Konsequenz nur mit ordnungspolitischen Mitteln umsetzbar, rechtfertigen meines Erachtens einen solchen fundamentalen Eingriff in keiner Weise.
Gleichwohl muss man beachten, dass sich leichte schichtspezifische Unterschiede bei der Inanspruchnahme des Betreuungsangebots zeigen. Eltern jüngerer Kinder (vor allem bei unter Dreijährigen, aber auch im Alter zwischen 3 und 4 Jahren) aus benachteiligten Milieus – gemessen am Bildungsstand der Eltern – nehmen Betreuungsangebote für ihre Kinder etwas seltener in Anspruch. Es sind aber genau diejenigen, die von einer Förderung am meisten profitieren würden. Deshalb ist es von erheblicher Bedeutung, dass allen Kindern frühzeitig ein öffentliches Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebot unterbreitet wird, damit all diejenigen, die es nutzen wollen, es auch nutzen können (deswegen halte ich auch das Betreuungsgeld für ein ungeeignetes Instrument, Familien kindgerecht zu unterstützen – aber auch die Gebührenfreiheit hilft in dieser Hinsicht erst mal nicht weiter).
Wenn man das Angebot ausbauen und verbessern will, dann darf man die qualitative Seite nicht aus dem Blick verlieren. In dieser Hinsicht müssen beispielsweise die Ausbildungsstandards des Personals angepasst werden, müssen Hochschulausbildungen zu einem selbstverständlichen Standard auch für diese Altersgruppe werden, muss die Kindertagespflege, die nach politischer Beschlusslage ebenfalls weiter ausgebaut werden soll, aus dem Graubereich eines billigen und unqualifizierten Angebots zwischen bloßer Betreuung, Verwahrung und Versorgung herausgelöst und zu einem qualitativ verbesserten Angebot weiterentwickelt werden, muss die Sprachförderung ebenso wie die allgemeine bildungsorientierte Förderung der Kinder intensiviert werden, muss die Zusammenarbeit mit den Eltern grundlegend anders organisiert angegangen werden („Kinderläden und ihrer Folgen“), um nur einige Punkte anzudeuten.
[Aus meiner Sicht können es sich die Kindertageseinrichtungen nicht folgenlos leisten, die genannten übergreifenden Reformen abzuwarten, gewissermaßen einfach auszusitzen. Kindertageseinrichtungen, die sich nicht rasch in Richtung der weiteren Qualifizierung ihres Bildungsauftrages bewegen, stehen in der Gefahr, die sich ihnen derzeit neu oder verändert stellenden gesellschaftlichen Herausforderungen zu verfehlen und so über kurz oder lang an den Rand der frühkindlichen Bildungslandschaft gedrängt zu werden, zumal dann, wenn tatsächlich ein politisch unterstützter Ausbau der privatgewerblichen Anbieter kommen sollte, wie ihn das neue Bundesgesetz bislang vorsieht, auch wenn die Expertinnen und Experten mehrheitlich davor warnen.] Eine ähnliche Situation zeichnet sich im Schulalter mit Blick auf das Thema Ganztagesbildung und Ganztagesschule ab.

7. Eine lokal vernetzte und öffentlich verantwortete Ganztagsbildung besitzt das Potenzial, die bildungsrelevanten Akteure an einen Tisch zu bringen, Angebote zu vernetzen, aus einer Hand anzubieten sowie das Zusammenspiel von Bildung, Betreuung und Erziehung besser umzusetzen. Dazu muss die Ganztagesschule jedoch an der Maxime mehr Bildung und nicht mehr Schule ausgerichtet werden.

Die in den letzten Jahren sich deutlich verstärkende Entwicklung hin zu Ganztagsschulen und zu lokal vernetzter Ganztagsbildung könnte das zentrale Bildungsprojekt der nächsten Jahre im Schulalter werden. Ich sehe in dem Projekt Ganztagsschule und Ganztagsbildung jedenfalls das Potenzial und die große Chance, die eingangs beschriebene Trennung der verschiedenen Lernwelten und der Trennung von Bildung, Betreuung und Erziehung zumindest ein Stück weit aufzufangen und auszugleichen.
In punkto Bildung bergen ganztägige Bildungsangebote das Potenzial, bildungsschwächere Kinder individuell zu unterstützen, Begabungen gezielter und intensiver zu fördern, das Korsett der Unterrichtsschule zu lockern, andere und erweiterte Bildungsinhalte hinzuzufügen, vermehrt alternative Lern-, Vermittlungs- und Aneignungsformen zu nutzen sowie gezielt die Seite der instrumentellen, personalen und sozialen Bildungskompetenzen zu intensivieren.
In punkto Betreuung könnten sie dazu führen, dass es zu einer verlässlichen zeitlichen Ausweitung von Betreuungszeiten kommt, dass die individuelle Bindungs- und Beziehungsqualität zwischen Kindern und pädagogischen Fachkräften im Bildungsraum Schule spürbar verbessert und dass die ganztägige Bildung zugleich erheblich stärker in die Lebenswelt der Kinder und ihrer Familien sowie in den sozialen Raum rückgebunden wird.
Und in punkto Erziehung schließlich könnten ganztägige Bildungsangebote zu verbesserten Möglichkeiten der Entwicklung einer personalen und sozialen Identität beitragen, könnten sie zu besseren Entfaltungsmöglichkeiten einer Selbstregulationskompetenz durch mehr Teilhabe und Beteiligung, durch ein Mehr an Ernstsituationen und sozialer Verantwortungsübernahme verhelfen, das Potenzial informeller Gleichaltrigenerziehung weitaus besser ausnützen und so schließlich den Kindern verbesserte Möglichkeiten der Erprobung von sozialer Verantwortung und der Entwicklung einer eigenen Urteilskraft bieten.
Um diese Potenziale auszuschöpfen, ist es wichtig, dass beim weiteren Ausbau der Ganztagsschule drei Dinge beachtet werden. Erstens dürfen die Begriffe Ganztagschule und Ganztagsbildung nicht mit Ganztagsunterricht gleichgesetzt werden, denn dann würde der beschriebene Zusammenhang von Bildung, Betreuung und Erziehung wieder verloren gehen. Zweitens muss eine wechselseitige Bezugnahme angestrebt werden, darf es also nicht zu einem additiven, auf Ernsthaftigkeit ausgerichteten Vormittagsunterricht und einem auf Erholung zielenden Freizeit-Programm, einer Art Wellness-Light-Programm für Kinder am Nachmittag kommen. Und schließlich darf drittens Ganztagsbildung nicht mit der Idee einer Trennung in eine Halbtagsschule für leistungsfähige sowie einer Ganztagsschule für bildungsbenachteiligte Jugendliche gleichgesetzt werden. Ganztagsangebote müssen für alle da sein, Ganztagsbildung ist ein Projekt für alle Kinder (zum Glück zeigt sich das auch empirisch).
In jüngster Zeit wird immer deutlicher, dass die einzelnen Ganztagesangebote und ihre institutionellen Partner mit diesem Prozess der Umgestaltung nicht alleine gelassen werden dürfen. Vielmehr bedarf es der systematischen Einbindung der Ganztagsschulen und ihren Partnern in eine staatlich-kommunal verantwortete Ganztagsbildung. Hier setzen dann die eingangs erwähnten lokalen und regionalen Bildungslandschaften an.

Fazit

Soweit meine sieben Thesen. Ich könnte nun in einem zweiten Durchgang die empirische Seite dieser Thematik ins Blickfeld rücken und zugleich den Fortgang der Misere in der beruflichen Ausbildung beleuchten. Dies würde aber den Rahmen sprengen. Stattdessen will ich zum Schluss nochmals fragen: Was kann, was muss getan werden, um Bildungswege in die Zukunft zu beschreiten? Dazu abschließend vier bilanzierende Stichworte:

  1. Ziel der Bemühungen muss sein, dass Kinder und Jugendliche bessere Chancen bekommen, sich die notwendigen Kompetenzen anzueignen. Darauf müssen alle Förderangebote ausgerichtet sein. Wir müssen mithin die Weiterentwicklung der institutionellen Angebote an der Entwicklung der Kinder ausrichten, sprich: aus deren Perspektive auf das Aufwachsen blicken. Es hilft nicht weiter, nur in der institutionellen Sichtweise verhaftet zu bleiben. Das bedeutet auch, dass wir von Anfang, vor allem aber bei den 1- bis 4-Jährigen mit der Förderung diesseits und jenseits der Familie beginnen müssen.
  2. Ungleiche Startbedingungen verstärken und stabilisieren sich in Deutschland im Laufe der Bildungsbiographie eher als dass sie sich verringern. Als Konsequenz daraus folgt, dass wir von zwei Seiten aus ansetzen müssen. Setzen wir – zum einen – konsequent früh an, dann bin ich zuversichtlich, dass sich ein Teil der Probleme in Zukunft nicht mehr so massiv zeigt. Es braucht aber – zum anderen – auch Unterstützungsangebote für diejenigen, die jetzt schon durch das Netz gefallen sind, also diejenigen ohne Schulabschluss, diejenigen ohne Perspektive, es braucht zweite und dritte Chancen. Insofern sind Debatten wie die heutige notwendig und wichtig.
  3. Ich hoffe, dass zumindest ein Gedanke meiner Ausführungen haften bleibt: „Keiner schafft es alleine“. Nur in einem verbesserten Zusammenspiel von privater und öffentlicher Verantwortung, von Bildung, Betreuung und Erziehung, wird man den Herausforderungen begegnen können. So banal es zunächst klingen mag, ist dies dennoch von zentraler Bedeutung. Allzu oft werden, z.T. auch der föderalen Logik folgend, Insellösungen geschaffen, Parallelstrukturen aufgebaut und andere relevante Aspekte ausgeblendet, bleiben Synergien ungenutzt.
  4. Insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe und die Schule müssen dabei neue Formen der Zusammenarbeit finden. Ganztagsschulen können ein Weg dorthin sein, der vielversprechend ist und vielleicht tatsächlich das Potenzial besitzt, zwei verschiedene „Welten“ zusammenzubringen. Erste Schritte dazu sind bereits gemacht, und an manchen Orten ist die Schule nicht nur dabei, sich für außerschulische Akteure zu öffnen, sondern auch den Schritt hinein in den Sozialraum zu gehen – vielleicht der erste Schritt, auf den Weg hin zu kommunalen Bildungslandschaften.

Wenn man das bilanziert, wird deutlich, dass wir nicht umsonst in Deutschland inzwischen eine breite medienöffentliche Debatte zur Zukunft von Kindern und Familien, zum Stellenwert von Bildung, zur Bedeutung von Erziehung, zur neuen Spaltung der Gesellschaft haben. Wenn wir dabei im Blick behalten, dass dies alles etwas miteinander zu tun hat, sprich: mehrere Facetten der gleichen Medaille sind, und wenn man dabei noch beachtet, dass die Kommunen das Zentrum dieser Aufgaben sind – und dabei von allen anderen föderalen Ebenen und darüber hinaus unterstützt werden müssen –, dann haben wir vielleicht einen kleines Licht am Ende des Tunnels entdeckt.

 
 
 
 
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