Die digitale Revolution – wie sie Individuen, Kultur und Gesellschaft verändert

Revolution ist ein großes Wort, das aber ohne Frage den mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen angemessen ist. Der digitale Wandel prägt unsere gesellschaftlichen Strukturen und beeinflusst kulturelle Normen und Werte. Er verändert unseren Alltag, unsere Schulen und Universitäten, unsere Arbeitswelt und Unternehmen, Kultur und Medien, die Politik und vieles mehr. Ich begrüße diese Veränderungen ausdrücklich, weil sie es ermöglichen, das menschliche Wissen an jedem Ort dieser Welt verfügbar zu machen und zu teilen, bisher nicht überbrückbare Entfernungen zu reduzieren, und weil mit der Digitalisierung auch neue Formen der Teilhabe in unseren Gesellschaften entstanden sind, die soziale, kulturelle und ökonomische Unterschiede in den Hintergrund treten lassen.

Natürlich verändert der digitale Wandel auch ökonomische Abläufe. Zum einen werden persönliche Daten in Form von Nutzungsverhalten zur Währung, da sie sich für targeted advertising (gezielte Werbung) nutzen lassen und damit zur Refinanzierungsquelle von vermeintlich kostenfreien Services wie soziale Netzwerke oder Maildienste werden. Zum anderen wird verdatetes Wissen immer öfter Teil der öffentlichen Allmende. Wissensmonopole brechen weg, es entstehen durch Kollaboration erzeugte Wissenswerke, sei es die Wikipedia oder freie Software die ökonomische Hürden wegfallen lassen und unter dem Aspekt des Sharing neue Kultur- und Wertschöpfungsansätze entstehen lassen. In dieser Umbruchsituation verschwinden bekannte Erlösmodelle oder sie werden unbedeutender. Distributionswege verschieben sich.

Und diese Revolution ist noch am Anfang, vielleicht schon weiter als viele Menschen sie bisher erkannt haben, aber abgeschlossen ist sie mit Sicherheit noch nicht. Wer sein Smartphone aktiv nutzt, mag eine erste Idee davon entwickelt haben, wie sehr sich mit der Digitalisierung über die stoffliche Welt eine zweite unsichtbare, digitale Sphäre aus Informationen und Kommunikation gelegt hat. Diese Sphäre wird aus digitalen Angeboten gebildet, und zudem aus unseren Informationen, wer wir sind, wo wir uns aufhalten und was wir gerade tun. Auch wenn man zu Recht skeptisch sein sollte, so wird das Angebot von Google Glass ein weiteres Beispiel und ein Ausblick darauf sein, wie stoffliche und digitale Welt noch stärker verschmelzen werden.

Und vergleichbar mit der industriellen Revolution stehen wir als Gesellschaft vor großen Fragen. Ob und wie kann eine Kontrolle dieser neuen Möglichkeiten stattfinden und wer soll die Kontrolle dann ausüben? Welche Gefahren und Möglichkeiten bestehen mit den neuen Technologien und wie schützen wir unsere Privatsphäre und unsere Meinungsfreiheit? Und wir stehen als Gesellschaft vor den großen Aufgabe, die heutigen und kommenden Generationen auf diese Veränderungen vorzubereiten und sicherzustellen, dass niemand den Anschluss verliert, sei es im Umgang oder im Zugang zur digitalen Umwelt.

Die Enthüllungen über die grenzenlose Überwachung unserer Kommunikation und Handeln im Internet zeigen, dass wir uns heute in einem Abwehrkampf befinden, in einem Kampf um unsere Bürgerrechte, um unsere Freiheiten und unsere Privatsphäre. Aber auch Unternehmen arbeiten aus wirtschaftlichem Interesse seit Jahren daran, uns, unsere Wünsche und Interessen immer besser kennenzulernen und vorherzusagen. Dies ist außerhalb der Überlebensfragen des Klimas, von der Verknappung von Rohstoffen, Wasser und Lebensräumen eine der zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen des menschlichen Zusammenlebens in den kommenden Jahren.

Bei vielen Menschen ist diese Auseinandersetzung noch nicht angekommen. Es fehlt die Erkenntnis, dass wir beim Surfen und Kommunizieren, in sozialen Medien und beim Online-Einkaufen einen Einblick in unsere Gedanken geben, ungleich mehr als Kameras und Mikrofone zu leisten vermögen. Wer nichts zu verbergen hat, muss keine Überwachung fürchten, ist der naive und fatalistische Satz, der dem Staat und immer öfters Unternehmen alle Möglichkeiten öffnet, eine soziale Kontrolle aufzubauen, die die Freiheit unseres Geistes erstickt.

Aber dieser Kampf ist lange noch nicht verloren. Wir brauchen gesellschaftlich ein Verständnis und Erkenntnis über die digitale Revolution und ihre Auswirkungen. Datenschutz und das Anerkennen von informationeller Selbstbestimmung sind erste Ansätze, um die individuelle Freiheit zu verteidigen. Ich will mich dieser Auseinandersetzung stellen und freue mich auf die digitale Zukunft.