Böll befragt ... Michael Weltzin (3|19)

Lieber Michael, wie ist die Stahlbranche in Sachen Klimaschutz derzeit aufgestellt?

Die Emissionen der Branche sind seit den 90er Jahren kaum zurückgegangen. Das liegt vor allem daran, dass die aktuelle Produktion über die Hochofenroute technisch mehr oder weniger ausgereizt ist. Zwar sind noch weitere Effizienzgewinne möglich, aber der Aufwand steigt und der Nutzen fällt immer geringer aus. Eine CO2 freie Produktion von Stahl ist mit dem klassischen Hochofenverfahren aber auch nicht zu erreichen.

Gibt es überhaupt einen klimafreundlichen Stahl und wie sieht ein solcher aus?

Ja, den gibt es und der sieht auch überhaupt nicht anders aus. Im Kern geht es darum, aus Eisenerz Eisen, bzw. Stahl zu machen. Das ist ein chemischer Prozess, bei dem mehrere Wege zum Ziel führen. Heute ist die Basis dieses Prozesses noch die klimaschädliche Kohle, doch für eine klimafreundliche Zukunft sind Biogas, regenerativ erzeugter Wasserstoff und erneuerbarer Strom die Mittel der Wahl. Inzwischen haben ja auch schon einige Unternehmen angekündigt, diesen Weg gehen zu wollen.

Engagierter Klimaschutz und der Erhalt von Standort und Arbeitsplätzen, wie passt das zusammen?

Für mich ist das kein Widerspruch. Richtig gemacht, ist Klimaschutz der Treiber einer ökologischen Modernisierung, der langfristig Standort und Beschäftigung sichert. Als die Politik in den 80er Jahren begann den Umweltschutz gesetzlich zu verankern, war die Debatte nicht viel anders als heute beim Klimaschutz: Zu teuer, nicht wirtschaftlich, Nachteile im internationalen Wettbewerb usw. Doch tatsächlich sind Luft, Wasser und Boden sauberer geworden und Deutschland zum Exportweltmeister für Umwelttechnologien aufgestiegen, auch wenn uns China hier inzwischen überholt hat.

Welche Rahmenbedingungen braucht es deiner Meinung nach dafür, dass die Stahlbranche klimafreundlicher wird?

In der Vergangenheit hat man die Branche weitgehend von CO2 Kosten befreit, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. Das ist insofern nachvollziehbar, da wir in Europa mit weltweiten Standorten konkurrieren, die überhaupt keine CO2 Regulierung haben oder hatten. Doch damit hat es auf der anderen Seite auch keinen ausreichenden Anreiz gegeben, in alternative Technologien zu investieren. Für die Zukunft kommt es deshalb auf eine Kombination von Fordern und Fördern an. D.h. auf der einen Seite muss ein wirksames CO2 Preissignal zum Tragen kommen und andererseits könnten die Einnahmen daraus genutzt werden, um  alternative Technologieansätze zu fördern.