Primat des politischen Gestaltens?

Auch wenn aus der griechischen Antike die Vorstellung überliefert ist, Polis und Oikos – also die Stadt und der Haushalt – seien von ihren Funktionslogiken strikt voneinander zu unterscheiden, so sind in modernen, funktional differenzierten Demokratien Politik und Ökonomie, sind Staat und Markt nicht ohne einander denkbar.

Dann allerdings stellt sich die Frage nach einem optimalen Verhältnis von Markt und Staat. Da dieses Verhältnis einem permanenten und sich gegenwärtig immer mehr beschleunigendem Wandel unterliegt, wie Hartmut Rosa betont hat, ist es fraglich, ob es sich überhaupt ermitteln ließe. Dennoch besteht gegenwärtig bei vielen politikwissenschaftlichen AutorInnen das unbehagliche Gefühl, der Markt habe begonnen, den Staat zu beherrschen. Die politischen Institutionen seinen Erfüllungsgehilfen der Firma, wie Colin Crouch das formuliert hat. Was da unter den Stichworten Postdemokratie und Ökonomisierung kritisiert wird, ist eine alle gesellschaftlichen Bereiche durchziehende neoliberale Hegemonie. Diese müsste, wenn man das für die demokratische Öffentlichkeit konstitutive Begründen politischer Entscheidungen in den Blick nimmt, in einer Zunahme ökonomischer Argumente im Zuge des Ringens um Deutungsmacht und Legitimität in der Demokratie zum Ausdruck kommen.

Mit anderen Worten: Wenn Politik und Ökonomie nicht voneinander getrennt gedacht werden können - und welcher Bürger würde schon die ineffiziente Verausgabung von Steuergeldern akzeptieren? - dann vermag der öffentliche Sprachgebrauch zu zeigen, wie sich die Einflusssphären verteilen. Herrscht in der politischen Öffentlichkeit tatsächlich eine neoliberale Hegemonie, dann würden damit andere Entscheidungsoptionen verdrängt. Politisches Gestalten wäre unter diesen Vorzeichen in der Tat von ökonomischen Imperativen abhängig geworden.

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