Politische Radtour: Gedenklandschaft Stalag 326

Veranstaltungsbericht

Per Rad auf den Spuren sowjetischer Kriegsgefangener: Wie lebendig Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit gestaltet werden können, zeigt diese Tour.

Eine Gruppe von Menschen mit Fahrrädern und Helmen

„Es ist deutlich geworden, wie wichtig die geplante Stalag-Gedenkstätte von überregionaler und internationaler Bedeutung ist als Ort der Versöhnung, als Ort der Erinnerung, als Ort der Bildung und auch als Ort der Verantwortung unserer Generation“, sagte Britta Haßelmann, erste parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN Bundestagsfraktion und Bielefelder Bundestagskandidatin auf dem Ehrenfriedhof für sowjetische Kriegsgefangene in Schloss Holte-Stukenbrock.

Britta Haßelmann bei der politischen Radtour

Sie war bei der Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung NRW, die vor Ort von Uli Burmeister vorbereitet worden war, mit gut 30 GRÜNEN und Interessierten zumeist aus Bielefeld und den Kreisen Paderborn und Gütersloh am Bahnhof Hövelhof gestartet. Dort trafen vor 80 Jahren - wenige Wochen nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion - die ersten Transporte mit Kriegsgefangenen ein. Zu Tausenden wurden sie vom Bahnhof in das Stammlager (Stalag) 326 nach Stukenbrock getrieben – sichtbar für alle. Diesen Weg, der heute noch „Russenpatt“ heißt, fuhren auch die Teilnehmer*innen der politischen Radtour „Gedenklandschaft Stalag 326“. 

Impressionen der politischen Radtour zum Stalag 326

300.000 Soldaten waren zwischen 1941 und 45 in diesem größten Lager für sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich. Von dort aus wurden sie verteilt – auf Zechen im Ruhrgebiet, auf Rüstungsbetriebe und auf Bauernhöfe in der Region. Die Lebensbedingungen im Lager waren menschenunwürdig – zwischen 15.000 und 65.000 Kriegsgefangene starben hier an Hunger, Krankheiten und unmenschlicher Behandlung. Denn die Wehrmacht führte den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion nicht nur an der Front, sondern auch in den Lagern in Deutschland. Über drei Millionen, zwei Drittel der sowjetischen Kriegsgefangenen, wurden Opfer dieser nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Sie sind die zweitgrößte Opfergruppe des Nationalsozialismus – und wurden lange verschwiegen.

Impressionen der politischen Radtour zum Stalag 326

„Das Thema war in der Öffentlichkeit Tabu“, berichtet Elisabeth Bültmann vom Förderverein Dokumentationsstätte Stalag 326, die die GRÜNEN über den sowjetischen Ehrenfriedhof führte, wo in 36 116 Meter langen Massengräbern die Toten begraben liegen. Die ehemalige Geschichtslehrerin ist ganz in der Nähe aufgewachsen. „Es wurde nicht gesprochen über die Verbrechen, die vor unserer Haustür begangen wurden“, sagte sie und erinnerte daran, dass es vor allem die zivilgesellschaftlichen Gruppen wie der Verein „Blumen für Stukenbrock“ und seit Mitte der 90er Jahre der Förderverein Dokumentationsstätte Stalag 326 waren, die sich engagierten und die Erinnerung an die Gefangenen und ihr Leiden wachhielten. Sie wollen auch künftig in die Arbeit der Gedenkstätte  Stalag 326 maßgeblich einbezogen werden.

Britta Haßelmann: „Ich danke allen, die in den letzten Jahren an einer würdigen Gedenkstätte gearbeitet haben. So weit wie jetzt waren wir noch nie. Alle, die wir heute dabei waren, sind jetzt Multiplikator*innen“. 

Ein gemeinsames Positionspapier der regionalen GRÜNEN zur geplanten Gedenkstätte Stalag 326 findet sich hier.

Die inhaltlichen und städtebaulichen Vorarbeiten zur Entwicklung einer Gedenkstätte von nationaler und internationaler Bedeutung wurden durch das urbanLab der TH OWL in Detmold unterstützt. Die Route „Gedenklandschaft Stalag 326“ wurde in Kooperation der TH OWL und der Architektenkammer NW erarbeitet und wird demnächst über eine App für alle nutzbar sein.