43. Grüner Salon Bielefeld: Kontrolle ist gut - Vertrauen ist besser

Veranstaltungsbericht

Der 43. Grüne Salon in Bielefeld beschäftigte sich mit dem Verhältnis von Polizei und Zivilgesellschaft. Der Titel der Veranstaltung „Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser“, drückt aus, worum es dem Trägerkreis des Grünen Salons Bielefeld ging. Wir wollten unterschiedliche Sichtweisen auf die Fragen, wie es aktuell um gegenseitiges Vertrauen bestellt ist, warum Vertrauen möglicherweise schwindet und wie es nachhaltig gestärkt und erhalten werden kann, diskutieren.

Das Bild zeigt in einer Aufnahme von hinten das Publikum und das Podium des 43. Grünen Salon Bielefeld.

Mit wenigen Worten und in der ihm eigenen Prägnanz drückte Uwe Günther vom Trägerkreis des Grünen Salons Bielefeld den Ausgangspunkt der Diskussion aus: „Die Polizei übt das Gewaltmonopol in unserer demokratisch konstituierten Gesellschaft aus, aber im Grundgesetz wird kein Wort hierüber verloren.

In der Konsequenz heißt das, dass sich das „staatliche Gewaltmonopol“ im besonderen Maße - beispielsweise in Form des polizeilichen Handelns - jeden Tag neu bewähren und legitimieren muss.

Klaus Rees, ebenfalls Mitglied der ersten Stunde im Trägerkreis des Grünen Salons Bielefeld, richtete in seiner thematischen Einführung einige Schlaglichter auf die historische und politische Bedeutung des Themas. Die Verantwortung der Gestapo und Polizeibataillone im Naziregime ist für ihn nach wie vor aufzuarbeiten. Als langjähriges Mitglied im Polizeibeirat in Bielefeld würdigte er positiv, dass sich mit der Ausstellung „Ordnung und Vernichtung“ das Bielefelder Polizeipräsidium schon 2014 zur notwendigen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Geschichte der Polizei bekannt hat.

Das Credo von Klaus, der als Versammlungsleiter und Anmelder von politischen Demonstrationen viele unterschiedliche und teilweise auch herbe Erfahrungen sammeln konnte, lautete: PolizistInnen üben Gewalt aus. Sie müssen dabei aber Teil der Lösung, nicht Teil des Problems sein. Zu der Frage, ob die nicht legitime Gewaltausübung durch die Polizei wenigen „schwarzen Schafen“ zuzurechnen oder systemisch bedingt sei, trug Klaus eine differenzierte Meinung vor. Polizeiliches Fehlverhalten sei häufig nicht rein individuell, aber auch nicht zwingend strukturell bedingt. Häufig gehe es um soziopsychologische Einstellungen wie z.B. „aggressive Maskulinität (nach Raphael Behr).

Damit war die Diskussion auf dem Podium eröffnet. Unter der sachkundigen Leitung von Prof. Dr. Heidi Mescher, die nicht nur Leiterin der Abteilung Bielefeld der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, sondern seit einiger Zeit auch im Trägerkreis des Grünen Salons Bielefeld aktiv ist, diskutierten:

MdB Irene Mihalic, die 1. parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen Bundestagsfraktion,

Dr. Sandra Müller-Steinhauer, seit einem Jahr Polizeipräsidentin in Bielefeld, sowie

Sermin Riedel, Polizei- und Feuerwehrbeauftragte für Bremen und Bremerhaven.

In der ersten Runde loteten die Podiumsteilnehmerinnen durch die Wiedergabe ihrer jeweiligen persönlichen Einrücke das Verhältnis von Polizei und Zivilgesellschaft aus. Irene Mihalic wies darauf hin, dass gerade das aktuelle Protestgeschehen (Klimaproteste der „Letzten Generation“, palästinensische Solidaritätsdemonstrationen) die Notwendigkeit aufzeige, dass Beschäftigte der Polizei Kompetenzen zur politischen Einordnung von Protesten brauchen.

Sermin Riedel berichtete zunächst über ihre Arbeit im Auftrag des Magistrats des Landes Bremen, in der sie einerseits Befugnisse zur Aufklärung von kritischen Sachverhalten habe, andererseits aber auch Ansprechperson für BürgerInnen und PolizistInnen sei. Ihre Erfahrung spreche dafür, dass bei vielen Menschen eine große Akzeptanz und auch ein Grundvertrauen in die Arbeit der Polizei vorhanden sei und die BürgerInnen vertrauen wollen. Anhand von Beispielen verdeutlichte sie allerdings auch, wie schnell Vertrauen erschüttert werden kann.

Sandra Müller-Steinhauer ging zunächst auf ihren biographischen Hintergrund ein. Dieser beeinflusse ihr Agieren als Polizeipräsidentin: sie sei Philosophin und Staatsanwältin gewesen. Dabei sei ihre Herangehensweise frei nach Kant: „handele so, wie du selber behandelt werden möchtest.“ Eine kritisches Reflektieren der jeweils anderen Sicht- und Handlungsweisen sei legitim und auch notwendig. Wichtig sei, eine Fehlerkultur und transparente Aufarbeitung von Missständen/Fehlverhalten zu ermöglichen. Sie wies darauf hin, dass nach einer aktuellen Umfrage nur 30 % der Bevölkerung Vertrauen in den Staat habe, aber immerhin 70 % der Polizei Vertrauen entgegenbringe.

In einer zweiten Runde auf dem Podium ging es um die Frage, welche Aspekte dazu beitragen, dass das Vertrauen zwischen Polizei und Zivilgesellschaft schwindet. Zu diesem Punkt brachte sich das Publikum mit persönlichen Erfahrungen interessiert ein. Die PodiumsteilnehmerInnen nahmen in ihren Antworten Bezug auf die vorgebrachten Punkte und gingen bspw. auf die Aufarbeitung polizeilichen Fehlverhaltens ein. Thematisiert wurden neben eskalierenden Polizeieinsätzen polizeiliche Gewaltanwendungen mit Blick auf den Umgang mit psychisch auffälligen Personen. Eine Feststellung, die von allen Diskutantinnen unterstützt wurde, ist, dass  sowohl die personelle Ausstattung als auch die Qualifikation diensterfahrener und angehender PolizistInnen entsprechen den  gesellschaftlichen Veränderungen ständig optimiert werden müsse.

Beiträge aus dem Publikum thematisierten weiter beispielhafte Situationen, in denen PolizistInnen den Erwartungen, die an ihr Handeln gerichtet waren, nicht gerecht werden konnten.

Auf die abschließende Frage der Moderatorin, an welchen Stellschrauben gedreht werden müsse, um Vertrauen nachhaltig zu stärken, gab es differenzierte Antworten, die aber alle in die gleiche Richtung wiesen:

Sandra Müller-Steinhauer hob die Notwendigkeit einer transparenten Fehlerkultur auf Seiten des Polizeiapparates hervor. Und sie verwies darauf, dass die Erwartungshaltung an die Polizei extrem divers und von Vorerfahrungen der Menschen geprägt sei. Sinngemäß zitierte sie einen Mann mit Migrationshintergrund aus der Dortmunder Nordstadt, der seinem Sohn auf den Weg gab: „Ich würde niemals die Polizei rufen.“ Und eine junge Iranerin, ebenfalls aus der Dortmunder Nordstadt, die vor dem Hintergrund ihrer Fluchterfahrungen sagte: „Hier in der Dortmunder Nordstadt habe ich zum ersten Mal in meinem Leben positive Erfahrungen mit der Arbeit der Polizei gemacht.“

Sermin Riedel betonte abschließend noch einmal, dass die Kultur der Aufarbeitung für sie der entscheidende Punkt sei, um Vertrauen zwischen Zivilgesellschaft und Polizei aufzubauen.

Irene Mihalic verwies darauf, dass die Grünen im Bundestag eine/-n Polizeibeauftragte/-n auch auf Bundesebene für die Bundespolizei installieren wollen. Die Verbesserung des Verhältnisses von Polizei und BürgerInnen ist für sie - die nicht nur grüne Bundestagsabgeordnete, sondern auch gelernte Polizistin ist - wie wohl auch für allen anderen Podiumsteilnehmerinnen ein echtes Herzensanliegen.

Das Bild zeigt 8 Menschen, die den Trägerkreis des Grünen Salon Bielefeld bilden.