Böll befragt ... Ludger Pflug (2|17)

Dr. Pflug, Sie sind Verwaltungsrichter – könnten Sie mir erläutern, was hinter dem Alltag dieser Berufsbezeichnung steckt?

Gerne. Ich beginne am besten mit einer Einordnung: Die Arbeit des Verwaltungsgerichts ist als Teil der Fachgerichtsbarkeit, zu welcher in Deutschland die Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit zählen, zuständig für das Überprüfen aller möglichen behördlichen Verwaltungsakte. Dabei landen auf unseren Tischen die verschiedensten Fälle: Von baurechtlichen Nachbarschaftsstreitigkeiten über polizeirechtliche Angelegenheiten bis hin zu Sachverhalten, die das Ausländerrecht betreffen. Mein Alltag ist demnach sehr vielfältig – scherzhaft sagen wir im Gericht manchmal, wir arbeiten in einem Gemischtwarenladen. Trotz der doch sehr diversen Inhalte haben die meisten Fälle aber eines gemeinsam: Kläger*innen sind die Bürger*innen, gegenüber auf der Anklageseite finden sich Behörden oder andere staatliche Institutionen.
 
Sie sind also unter anderem der Richter, unter dessen Hammer auch Asylprozesse entschieden werden. Würden Sie diese Verfahren momentan zu Ihrem beruflichen Hauptaufgabenbereich zählen?
 
Sachverhalte rund um das Thema Asyl- und Ausländerrecht dominieren derzeit definitiv meinen Arbeitsbereich. Als ich 2010 als Verwaltungsrichter anfing, nahmen diese Fälle ungefähr 10 – 20 % meines Alltags in Anspruch. Seit 2014 stieg die Fallzahl maßgeblich, so würde ich heute sagen, dass wir Verwaltungsrichter*innen in NRW knapp 75 % unserer Zeit mit jenen Sachverhalten zubringen. Die Richter*innen sind dabei spezialisiert nach den verschiedenen Herkunftsländern der Asylbewerber*innen – bei mir sind das zum Beispiel Albanien und Afghanistan.
 
Seit 2015 ist Albanien laut Asylgesetz (AsylG) ein sicherer Herkunftsstaat. Inwieweit beeinflusst diese Regelung Ihre Arbeit?
 
Um diese Frage zu beantworten, möchte ich zunächst die herkömmliche Herangehensweise an die Bearbeitung eines Asylverfahrens darstellen: Es ist so, dass wir als Verwaltungsrichter*innen ab Eingang der Klage den Sachverhalt eigenständig erschließen müssen. Das bedeutet, dass wir unsere Entscheidung auf ein stabiles Fundament stützen müssen, welches wir – im Gegensatz zu beispielsweise strafrechtlichen Klagen – selbst erarbeiten. Dementsprechend intensiv setzt man sich zwangsläufig mit jedem der Fälle auseinander. Nun ist es natürlich so, dass der Aufwand zu einem großen Teil auch aus der Überprüfung der Fluchtgründe besteht – auf den ersten Blick scheint es also, als würde dieser Aspekt bei einer/ einem Asylbewerber*in aus Albanien entfallen, da politische Verfolgung als Grund, Asyl zu gewähren, wegfällt. Dennoch: Ist die geflüchtete Person schwer krank und/oder muss sich zum Beispiel vor Blutrache schützen, müssen auch diese Umstände geprüft werden.

Wie gehen Sie mit solch' schweren Schicksalen um? 
 
Selbstredend steckt unter meiner Richterrobe auch nur ein Mensch, der in einigen Fällen viele Beweggründe, nach Deutschland zu kommen, nachvollziehen kann. Und aus menschlicher Sicht ist die Arbeit natürlich auch dementsprechend belastend, da die gesetzlichen Vorschriften oftmals von objektiver Härte geprägt sind. Aber auch wenn man bei der Abhandlung von abgelehnten Asylbewerber*innen auf – verständlichen – Widerstand stößt, am Ende muss ich ein Urteil fällen, das ich guten Gewissens auf Grundlage des geltenden Asylrechts und moralischen Grundsätzen vertreten kann.