Heinrich XIII: Laudatio Reiner Daams

Der Heinrich XIII | Flüchtlingsprojekt mit dem Schwerpunkt Musik

17. Juni 2016, 14 Uhr,  Laudation zur Verleihung des Heinrich an music4everybody e.V., Köln

 Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie heute mit den Preisträgerinnen und Preisträgern des 13. Heinrich bekannt machen zu dürfen.

Seit 2004 vergibt die Heinrich Böll Stiftung NRW jährlich den Ideenpreis „Der Heinrich“.  Die Böll-Stiftung zeichnet mit diesem wunderbaren Preis Projekte aus, die im Rahmen zivilgesellschaftlichen Engagements Außerordentliches geleistet haben, die nachhaltig wirken und – wie auch auf der Internetseite der Stiftung zu lesen ist zudem – ich zitiere „Müde und Zweifelnde zum Nachmachen ermuntern“.

Wie sich das für eine Stiftung, die den Namen Heinrich Bölls trägt, gehört, legt die Jury bei ihrer Auswahl immer wieder besonderen Wert auf die Frage, welchen Beitrag die Kunst, in diesem Fall heute die Musik und das Theater zu einem friedlichen Zusammenleben der Menschen in unserer Gesellschaft leistet.

Wir denken dabei zurück an einen anderen großen deutschen Dichter der Freiheit, an Friedrich Schiller, von dem der großartige Satz stammt:„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Das Spiel - in diesem Fall das Musizieren - ist ja auf den ersten Blick an sich vollkommen zweckfrei, ja sinnlos. Und doch ist es gerade dieses Spiel, dieses sinnlose Tun, das in einer Weise Sinn stiften kann, wie kaum etwas anderes. Das Spiel schafft Raum für Verständigung, es schafft Nähe und Freude, es ermächtigt den Menschen zum eigenständigen, selbstbestimmten Handeln. Gemeinsam Raum für das Spiel zu schaffen, dafür haben sich seit  2008  die Mitglieder des Vereins music4everybody engagiert, der geründet wurde von Susanne Stupp, Bürgermeisterin in Frechen und Harry Alfter, Gitarrist und Sänger der Brings.

Das Ziel war und ist, Kunst, Kultur und Musik für alle Menschen zugänglich zu machen und dabei Menschen zusammenzuführen. Besonderen Wert legt music4everybody dabei schon immer auf den Anspruch der Inklusion - also das Recht auf Teilhabe aller und die Herausforderung, Barrieren, die diese Teilhabe verhindern, zu beseitigen. Und das gilt für alle Menschen - mit und ohne Behinderungen und gleich welcher sozialen oder ethischen Herkunft.  Damit lebt der Verein die Werte, für die auch die Heinrich Böll Stiftung NRW steht. Hinzu kommt, das möchte ich betonen, der hohe Anspruch an die Professionalität, auf die Qualität der Arbeit.

Aufmerksam geworden sind wir in der Jury auf music4everybody, weil wir in unserer ersten Jurysitzung nach besonderen Projekten gesucht haben, die sich mit  dem Mittel der künstlerischen Arbeit der Herausforderung stellen, die viel beschriebene Willkommenskultur in Nordrhein-Westfalen Wirklichkeit werden zu lassen. Und da ist nun music4everybody ein wirklich wunderbares Projekt gelungen: Das Musical "Zwischen den Welten". Dieses Musical haben 30 junge, meist unbegleitete Flüchtlinge gemeinsam mit deutschen Patinnen und Paten selbst erarbeitet. Sie haben ganze Sonntage miteinander verbracht, sich wöchentlich getroffen - in Köln oder in Frechen - und mit Unterstützung  von 3 Dozenten die Geschichte und die Dialoge erfunden, Choreografien entwickelt, teils mehrstimmige Lieder gelernt und im Tonstudio auch Aufnahmen gemacht. Dabei wird der Verein von Vielen tatkräftig unterstützt – von Bürgerinnen und Bürgern, von Spenderinnen und Spendern, vom Landschaftsverband Rheinland, von Städten, von vielen Schulen und von noch mehr außerschulischen Partnern wie Sozial-, Jugend und Familienverbänden , die aufzuführen, meine Redezeit sprengen würden. Ihnen allen sei gleichwohl für die Unterstützung herzlich gedankt.

Am 31. Januar diesen Jahres war die umjubelte Premiere im Rautenstrauch Joest Museum in Köln. Die Begeisterung war so groß, dass sich unmittelbar danach weitere Spender meldeten - und auch der Geschäftsführer eines Wuppertaler Unternehmens, weil er das Projekt auch in Wuppertal realisieren will. Und so kommt es, dass aktuell 80 junge Flüchtlinge im Bergischen Land gemeinsam mit deutschen Jugendlichen an einem Musical arbeiten.

Fazit:

Junge geflüchtete Menschen haben in Deutschland neue Freundschaften mit deutschen Jugendlichen geschlossen - und umgekehrt! Sie haben gegenseitig ihre jeweilige Kultur und auch Religion kennengelernt. Die Geflüchteten haben Deutsch gelernt, viele von ihnen konnten in Arbeit, ein Praktikum oder auch ins Studium vermittelt werden. Sie haben gemeinsam gelernt, welch unbeschreibliches Gefühl es ist, zusammen etwas Neues und zugleich sich selbst zu entdecken, gemeinsam ein Kunstwerk zu schaffen. Und die Idee wird erfolgreich weitergetragen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

music4everybody hat

  • Sprachlosen die Sprache zurückgegeben,
  • aus Fremden Freunde werden lassen und
  • aus ihrer Heimat vertriebenen eine neue Heimat gegeben.

Und das ist es, was mit Integration gemeint sein muss. Die Menschen, die zu uns kommen, in unserer Mitte willkommen zu heißen und in dieser neuen Gemeinschaft gemeinsam Neues zu schaffen. Das ist uns, der Heinrich-Jury der Heinrich-Böll-Stiftung Nordrhein-Westfalen den 13. Heinrich wert. Ich gratuliere Euch und Ihnen im Namen der Heinrich Böll Stiftung NRW und ihrer Heinrich-Jury dazu ganz herzlich, stellvertretend für alle Beteiligten und ganz besonders der Projektleiterin Stephanie Siebert und allen beteiligten Jugendlichen.